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Interessenvereinigung zur Aufklärung und Vernetzung 

gegen organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt

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Ermittlungen gegen Erzieher in Frankfurt eingestellt

Radiobeitrag über den Verdacht auf sexuelle Übergriffe in Kitas:

Wegen des Verdachts sexueller Übergriffe gegen Kinder hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr gegen sieben Erzieher ermittelt. Alle Ermittlungen wurden eingestellt - auch weil die Aussagen von Kindern vor Gericht angreifbar sind.




Gegen sieben Erzieher in sieben Frankfurter Kitas hat die Staatsanwaltschaft 2023 ermittelt. Das hat ein Behördensprecher auf hr-Anfrage erklärt. Bislang bekannt waren davon lediglich vier Ermittlungen. Doch in keinem der sieben Fälle ergaben sich ausreichende Beweise für eine Anklage. Da kein hinreichender Tatverdacht festgestellt werden konnte, wurden die Ermittlungen eingestellt.


Elf Verdachtsfälle beim Stadtschulamt gemeldet

Auch beim Stadtschulamt Frankfurt wurden im vergangenen Jahr mehr Verdachtsfälle gemeldet als bislang bekannt. Im Sommer waren neun Fälle in Kitas bekannt, bis zum Ende des Jahres belief sich die Zahl laut einer Sprecherin von Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) auf elf. In acht Fällen seien die Prüfungen bereits abgeschlossen. Dabei hätten sich zwei Verdachtsfälle bestätigt. Die Kitas hätten von ihrem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch gemacht und die beiden Mitarbeiter inzwischen entlassen. Bei den noch zu klärenden drei Fällen seien in zwei Fällen jeweils ein Kind betroffen. "Der dritte Fall soll sich in einer Kindergruppe von zehn Kindern ereignet haben", so die Sprecherin.


Auch in dem Fall, der vergangenes Jahr die hr-Recherchen ausgelöst hat, sind die Ermittlungen eingestellt worden. Zunächst hatten zwei Eltern gegen den Erzieher einer städtischen Kita im Frankfurter Westen den Verdacht sexueller Übergriffe gegen ihre Kinder geäußert. Nachdem weder die Ermittlungen noch die Prüfungen durch den Träger ausreichende Anhaltspunkte ergaben, brachten zwei neue Anzeigen die Ermittlungen wieder in Gang. Laut Bildungsdezernat hat der Erzieher inzwischen "auf eigenen Wunsch die Stelle gewechselt".


Kritik an häufigen Einstellungen

Es gilt auch in diesen Fällen die Unschuldsvermutung. Doch die Tatsache, dass alle im vergangenen Jahr von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Verfahren eingestellt wurden, passt zum Erfahrungswissen von Fachleuten. "Ein pädosexueller Täter, der mit kleinen Kindern arbeitet, hat ein sehr geringes Entdeckungsrisiko", so Ulrich Warncke, der Landespräventionsbeauftragte Hessen des Weißen Rings. Wenn keine Zeugenaussagen von Erwachsenen oder Videos und Fotos vorhanden seien, die den Tatvorwurf belegen könnten, würden die Verfahren meist schnell eingestellt, so der Opferanwalt.


Problem: Kinder als Zeugen

Betroffene Kinder könnten zwar als Zeugen befragt werden, doch in der Justiz herrsche die weit verbreitete Annahme vor, dass die Aussagen von Kindern unter vier Jahren vor Gericht nicht gelten. Die Begründung: Kinder könnten sich nicht wie Erwachsene erinnern und ihre Aussagen könnten durch Eltern oder andere Erwachsene suggestiv beeinflusst werden.

So sieht auch die Staatsanwaltschaft Frankfurt in vielen Fällen von solchen Vernehmungen ab. "Je jünger potenzielle Opfer sind, desto kritischer ist deren Aussagetüchtigkeit zu bewerten, weswegen ein Tatnachweis dann äußerst schwer zu führen ist", so der Sprecher der Behörde.

Verteidiger von etwaigen Tatverdächtigen würden ihre Rechte intensiv geltend machen. Das münde für die Kinder nicht selten in einer Vielzahl von Vernehmungen und Beweiserhebungen. Davor sollen die Kinder geschützt werden.


Kindgerechte Vernehmungen möglich

Kinder vor Vernehmungen zu schützen, sei der falsche Ansatz, meint Ursula Enders. Die Pädagogin unterstützt mit ihrem Verein Zartbitter in Köln seit mehr als drei Jahrzehnten kindliche Opfer sexuellen Missbrauchs. Ziel der Justiz müsse es sein, Kinder vor potenziellen Tätern zu schützen, so Enders.

Dazu könnten kindgerechte Vernehmungen beitragen. Kinder sollten dabei sehr freundlich und sachlich angesprochen werden und der Vernehmende sollte auch ein Interesse an dem Kind als Person zeigen, etwa danach fragen, was es gerne spielt oder macht. "Wenn man in der Form einem Kind begegnet, ohne dass es vorher von zig Leuten gebohrt und gelöchert worden ist, dann sprechen Kinder oft sehr normal."


"Richterliche Befragung kaum genutzt"

In Köln und anderen Städten Nordrhein-Westfalens würden solche kindgerechten Vernehmungen immer wieder dazu führen, dass Pädosexuelle durch Aussagen von Kindern vor Gericht überführt werden könnten.

Außerdem sehe das deutsche Rechtssystem einen Weg vor, der Kindern häufige Auftritte vor Gericht ersparen kann: die richterliche Befragung im Ermittlungsverfahren. Die dafür eigens geschulten Richter können dann anstatt der Kinder vor Gericht aussagen. "Das nutzt die Justiz so gut wie überhaupt nicht, weil ihr das zu umständlich ist", bedauert Enders.


Akte ins Archiv gewandert - Fall zweimal eingestellt

Wie wichtig Aufklärung für Betroffene ist, zeigt der Fall eines Kindes, das in einer Frankfurter Kita mutmaßlich Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden ist. Um Personen nicht identifizierbar zu machen, sollen hier keine Details genannt werden. Nach hr-Informationen wurden die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt zweimal eingestellt, ohne dass das mutmaßlich betroffene Kind befragt worden ist.

Dies geschah auch nicht, nachdem eine in den Fall eingeschaltete Anwältin ihren Widerspruch gegen die Einstellung genau damit begründet hatte. Die zweite Einstellung benötigte dann – trotz mehrerer Nachfragen der Anwältin – ein dreiviertel Jahr bis sie zugestellt wurde. Die Verzögerung sei "durch menschliche Fehler" in der Behörde entstanden, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Akte sei versehentlich vor Zustellung der Einstellungsverfügung ins Archiv gebracht worden. "Diese Fehler bedauern wir außerordentlich, vor allem vor dem Hintergrund der Belastungen, die alle Betroffenen eines solchen Verfahrens zu ertragen haben."



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